11.12.2012

11. Dezember: Geschichte

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Jess Jochimsen
Draußen vom Walde komm ich her

Ja, ich gestehe: Ich war einmal der Nikolaus. Ist gar nicht so lange her, auch war ich nicht mehr wirklich jung, aber ich brauchte das Geld. Also bewarb ich mich bei einer "Firma für Events aller Art" mit obligatorisch angelsächsischem Namen, und die Sache ließ sich gleich gut an. "Herr Jess Jochimsen", hieß es in meinem Arbeitsvertrag, "ist hiermit gebucht als Event-Performer vom 5. bis 7. Dezember. Coaching: 4.12., 16 Uhr."
Wow! Bingo! New Economy! Hey - ich war kein old school Nikolaus, sondern ein fancy Event-Performer, und als solcher würde ich eine Schweinekohle machen.
Ich gebe gern zu, dass ich etwas aufgeregt war. Weniger, weil ich mir die Arbeit nicht zugetraut hätte, sondern eher, weil ich als Kind dem Nikolaus nie begegnet bin. Wenn meine Eltern etwas taten, dann taten sie es gründlich. Sie hatten eine schwarze Liste mit unerwünschten Personen des kapitalistischen Brauchtums heidnischen Ursprungs - und der Weihnachtsmann, das Christkind und der Nikolaus war die Top Three auf der Liste. Doch wozu gab es die Schulung!
Bestens gelaunt erschien ich also zu ebendieser - zusammen mit 60 anderen. Ein leicht etiläres Glücksgefühl beschlich mich. Wir waren die Auserwählten, die Nikoläuse der Stadt, junge, eventmäßige hochmotivierte Segensbringer. Und da erschien auch schon unser Performance-Coach.
Er brachte die Verkleidung und schärfte uns ein, immer vorher bei den Eltern anzurufen, um das "mit den Geschenken abzuchecken". Einen Witz machte der Nikolaus-Instructor auch noch: "Was bei den Kids gut kommt, ist ein kleiner Rap! Yeah, ich bin der Nikolaus / und hol gleich meine Rute raus."
Vereinzeltes Gelächter. Na prima, dachte ich, wenn wir so auftreten, rappen die Kinder spontan zurück: "Yo man, vom Walde kommst du her / und ich muss dir sagen: Fuck you, yeah!"
Unser Coach schloss seine Ausführung damit, dass wir uns stadtteilmäßig auzuteilen hätten.
Der Nikolaus-Anwärter neben mir brüllte: "Ohne Knecht Ruprecht gehe ich nicht noch mal in die Vorstadt!"
Ich bereute den Job jetzt schon. Trotzdem werde ich erzählen, wie's lief. Eher peinlich bekleidet und mit einem Haufen Watte im Gesicht - den Bart mussten wir uns aus hygienischen Gründen selber basteln - stapfte ich los. Mein "Performance-Bereich" war ein Edel-Viertel, hohes Intellektuellenaufkommen und lecker Lehrerdichte, wo die Kinder also Lukas und Sarah heißen. Oder gleich so IKEA-Namen tragen, Sören, Bengt... wie die Möbel, auf denen sie gezeugt wurden.
Interessanterweise hieß mein erstes "Zielobjekt" Mario F. und wohnte in der Hildastraße. Von Mama F. instruiert, Mario solle weniger fernsehen und - Altbau bleibt eben Altbau - doch bitte mehr lesen, erschien ich pünktlich. (Das Geschenk war im Treppenhaus hinterlegt, zwei Mandarinen und ein verpacktes Buch, da würde sich der Bub aber freuen.) Ich trat in den Altbau-Flur und Frau F. rief:      " Mario, kommst du mal, da ist ein fremder Mann, ich glaube fast, es ist der Nikolaus."
Von irgendwoher brüllte Mario: "Der soll später wiederkommen, ich bin gerade auf Level Acht!"
"Würdest du jetzt bitte den Computer sein lassen", rief Frau F., zu mir sagte sie: "Und Sie, Herr Jochimsen, ziehen bitte die Stiefel aus."
Ich fühlte mich meiner Autorität doch etwas beraubt, als Mario kam. Ich zückte das Buch: "Guck mal, Mario, was dir der Nikolaus mitgebracht hat."
"Wenn er das neue Game nicht dabei hat, kann er sich gleich verpissen", sagte Mario.
Ich sagte: "Aber Mario, hör mal..."
"Sie halten sich da raus", sagte Frau F. "und du, Mario, nimmst jetzt das Buch und freust dich gefälligst."
"Ich soll von Fremden nichts nehmen", heulte Mario.
Nun wurde ich laut: "Wenn du nicht augenblicklich brav bist..."
"Schreien Sie mein Kind nicht an", schrie Frau F.
"Hey - ich bin der Nikolaus!"
"Ja, und ich bin der Weihnachtsmann, du Arschloch", brüllte Mario.
"Freundchen", brüllte ich und war kurz davor, dem Kleinen eine zu schallern. "Freundchen..."
"Trau dich doch, trau dich doch", provozierte das Altbaubalg weiter.
"FREUNDCHEN..." Mir platzte der Kragen. "Deine Mama hat Depressionen, und außerdem bist du adoptiert. Hier - da hast du dein beknacktes Harry-Potter-Blöd-Buch. Und tschüss." Ich ging.
Es war kalt in der Hildastraße - so ohne Stiefel.

08.12.2012

8. Dezember: Gedicht

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Andrea Schomburg
Wunschzettel für Männer




PC's die stets funktionieren,
Frauen, die nichts komplizieren,
die total von uns besessen,
niemals nölen, niemals stressen,
die uns jederzeit verwöhnen
und "Du bist mein Löwe!" stöhnen.
Liebes- und Berufsrivalen,
die verenden unter Qualen,
und ein Auto, das stets fährt,
Geld, das sich von selbst vermehrt.
Freunde, die für alle Fälle
stets mit
Rat und Tat zur Stelle,
ein Beruf, der fasziniert
und sich außerdem rentiert
und der Kraft lässt und auch Zeit
für das, was uns sonst noch freut.
Die Geschenke wären Renner!

Mit liebem Weihnachtsgruß,
die Männer

07.12.2012

7. Dezember: Gedicht

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Andrea Schomburg
Wunschzettel für Frauen


Ohne Folgen maßlos fressen,
Männer, die von uns besessen,
die mit uns durch's leben gehen,
auch wenn sie uns nicht verstehen,
kurz, die Prinzen sind statt Frösche,
echt Pariser Seidenwäsche,
100 Paare Stöckelschuhe,
eine volle Tiefkühltruhe,
Haushalt, der sich über Nacht
ratzfatz immer selber macht,
Kinder, die - nicht nur als Kind -
ausgefüllt und glücklich sind,
ein Beruf, der fasziniert
und sich außerdem rentiert,
Schönheit, Charme und Energie,
denn, weiß Gott, wir brauchen sie!
Und stets gut gezupfte Brauen,

Mit liebem Weihnachtsgruß,
die Frauen

06.12.2012

6. Dezember: Nikolaustag

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Rita Fehling

Nikolaus und Nikola



All Jahre wieder im Dezember. Ein Blick auf den Kalender sagt mir, dass das Fest der Feste nicht mehr fern ist. Ich hätte es eigentlich wissen müssen, trotzdem kommt es mir wie in jedem Jahr so vor, als ob ausgerechnet dieses Mal Weihnachten wieder sehr plötzlich kommt. Auf einmal steht die vorhandene Zeit in einem äußerst ungünstigen Verhältnis zu den noch zu erledigenden Aufgaben. Die alljährliche Herze kann beginnen.
Eins, zwei, drei, vier... neun Personen müssen mit Geschenken versehen und eine dreifache Anzahl muss mit Weihnachtskarten beglückt werden. (Wo ist bloß die Liste, damit ich nicht wieder Onkel Alfred vergesse?) Das ganze Fest, vom Heiligabend angefangen bis zum Abend des zweiten Weihnachtstages, muss organisiert und geplant werden. Schließlich wollen meine Lieben sowohl kulinarisch als auch geschenkemäßig versorgt und verwöhnt werden.
Meine beiden Männer (Sohne- und Ehemann) sehen meinem munteren Treiben zu und machen sich keinen Kopf drum. Advent, Advent, die Mutti rennt... Dieser Spruch ist zwar nicht neu, hat aber seine Gültigkeit leider nicht verloren. Der Herr des Hauses glaubt, mit dem Aussuchen eines neuen Parfums (wahlweise auch Pullover, Pralinen oder Prosecco) und dem heiligabendlichen Aufstellen der Hallelujastaude seine Pflicht und Schuldigkeit getan zu haben. Weihnachten ist (und bleibt es wohl auch noch eine Zeit lang) Frauensache.
Warum eigentlich? Wer kann mir diese Frage beantworten? Dabei ist es doch der Weihnachts-Mann
der bei diesem Fest die Hauptrolle spielt. Mir ist aufgefallen, dass es neuerdings auch Weihnachts-
Frauen gibt. Allerdings sind die wasserstoffblond, haben eine atemberaubende Figur (für Männeraugen zumindest), tragen einen roten Supermini und sind aus Schokolade. Komisch, der Schoko-Weihnachtsmann oder -Nikolaus dagegen ist ein seriöser, älterer, untersetzter Herr mit Rauschebart - sein weibliches Gegenstück, die Nikola, ist eine niedliche Kleine, die nicht den leisesten Anschein von Seriosität ausstrahlt. Warum nicht mal einen Nikolaus mit Waschbrettbauch, sexy Po und Kleiderschrankenkreuz? Was wollen uns die Hersteller der weihnachtlichen Schokofiguren damit sagen? Dass Frauen sich nicht von attraktiven (Weihnachts-)Männern ablenken lassen sollen, weil sie verdammt noch mal andere Pflichten in dieser Zeit haben? Oder wollen sie damit beweisen, dass sie an die Gleichberechtigung gedacht haben?
Puh, von wegen Gleichberechtigung! Die meiste Arbeit, die das Fest mit sich bringt, bleibt ja doch wieder an uns Frauen hängen.
Dieses Jahr habe ich mich allerdings geweigert, die so beliebten wie arbeitsaufwendigen Kekse zu bachen. Ich habe meine Beiden unmissverständlich wissen lassen, dass ich nicht bereit sein, mehrere Stunden in der Küche zuzubringen, nur damit sie an einem, ich betone: an einem Abend Kekse naschen können. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat mich gelehrt, dass die Kekse nur dann interessant sind, wenn sie gerade gebacken sind, danach wird den gekauften Dominosteinen, Lebkuchenherzen und dergleichen der Vorrang gegeben. Warum weiß ich nicht, vielleicht weil meine Backkünste doch zu wünschen übrig lassen. Egal warum, ich backe dieses Jahr nicht! Und ich bleibe hart. Mann und Sohn gucken mich an, als hätte ich ihnen soeben den bevorstehenden Weltuntergang prophezeit. "Aber das riecht doch so schön im Haus", murren sie. Sollen sie doch selber Plätzchenduft produzieren! Ich weiß ganz sicher, dass Männer das auch können. Ich habe ihnen schon mal die Zutaten und das Backbuch herausgestellt. Und die Weihnachtskeksdose. Darin befanden sich noch die Kekse vom letzten Jahr, die, die am Backtag nicht alle geworden sind.
Ich werde mich an dem Abend, an dem meine Beiden Plätzchen backen, mit meiner Freundin an ein lauschiges Plätzchen zurückziehen - beim Italiener vielleicht - und ich werde mal für einen Tag die Hektik vergessen. Vielleicht unterhalten wir uns über Weihnachtsmänner. Sie wissen schon, über solche mit Waschbrettbauch - aber nicht aus Schokolade.